Das Ende der Ewigkeit (Isaac Asimov, 1958 (2015)) – Wie lange dauert eine Ewigkeit?

Wie lange dauert eine Ewigkeit? Was verstehen wir unter Realität? Asimov spielt mit diesen großen und fundamentalen Fragen wie ein Dreijähriger mit seinem ersten Satz Bauklötze. Absolut sorglos, ohne Rücksicht auf Verluste jedoch ohne den kleinsten Ansatz von Infantilität. Zwischen all dem versucht ein Techniker seinen Weg zu finden, welcher ihn allerdings weit ab vom Kurs bringt. Was ist der Preis, den er und wir dafür zahlen müssen?

Mit dem Genre des New-Weird ist ein äußerst frischer Wind durch das dezent übergeordnete Science-Fiction Genre geweht, äußerst spannende Entwicklungen sind dabei entstanden. Doch ab und zu tut es auch mal ganz gut, sich den Klassikern zu widmen und neben Arthur C. Clark, Philip K. Dick und Robert A. Heinlein darf natürlich auch Isaac Asimov nicht außer Acht gelassen werden. Doch direkt mit meinem ersten Asimov Roman beging ich einen fatalen Fehler, denn mit dem gesamten Werk des Foundation-Zyklus anzufangen ist durchaus zu stemmen, allerdings äußerst anstrengend und mühsam. So legte ich es beiseite und widmete mich einem Buch, über das eher weniger bis gar nicht gesprochen oder geschrieben wird, Das Ende der Ewigkeit.

Denkt man an Asimov, so denkt man direkt an die Foundation Bücher oder Roboter Geschichten. Das vorliegende Buch wurde zwar im Nachhinein in die Foundation Erzählungen mit aufgenommen, versteht sich aber selbst als eigenständiges Werk, auch wenn das Ende durchaus vermuten lässt, dass hier über die Foundation und deren Ausmaße gesprochen wird.

Wir sind alle der festen Überzeugung zu wissen, was genau eine Ewigkeit ist. Eine vereinfachte Definition dürfte sein, dass es sich hierbei um einen Zeitraum handelt, der unendlich bzw. unvorstellbar lang andauert und nahezu kein Ende hat. Doch umso länger wir darüber nachdenken, umso unglaublicher kommt uns dieses Konzept vor und immer weniger Worte fallen uns dafür ein, wie man dieses Phänomen beschreiben könnte, geschweige denn in Zahlen begreifbar macht. Mit seinem Roman Das Ende der Ewigkeit wirkt Asimov entgegen diese Eindrücke und liefert Präzise Zahlen und Angaben, welche im ersten Moment eingestreut, als wäre es der Wetterbericht für den Folgetag, etwas vollkommen Beiläufiges, ja fast schon unbedeutend. Vergleichbar etwa mit der Science-Fiction, die wir aus Christopher Nolan Filmen kennen, kein Technobabbel oder ähnliches, sondern harte Fakten, mit denen der Zuschauer bzw. Leser erstmal umgehen muss. Versetzt man sich in die Lage eines Leser, der den Roman bereits zum Erscheinungsdatum las, so wirkt die beschriebene Welt noch unbegreiflicher, denn damals war das Genre des Science-Fiction noch nicht so omnipräsent wie heutzutage.

Das Ende der Ewigkeit zeigt uns eine Welt, in der Realität, Zeit und Raum, so wie wir sie in unserem alltäglichen Leben verstehen, in Frage gestellt werden. Zuerst geschieht dies noch sehr behutsam mit dem Umriss einer Art von Behörde, die sich “Ewigkeit” nennt. Sie agiert außerhalb unserer Zeit und kann durch “Realitätsveränderungen” in die Geschehnisse der Menschheit eingreifen und tut dies auch nach eigenen Regeln und Vorschriften. In dieser Behörde gibt es verschiedene Positionen, die wir im Verlauf des Romans kennen lernen, so wie der Rat, der bei schwerwiegenden Entscheidungen zusammengerufen wird.

Asimov schafft es, allegorisch sich an verschiedene Themen der Gesellschaft heranzutasten und diese gleichzeitig in Frage zu stellen. Sind Regulierungen wirklich notwendig? Würden wir es denn nicht auch ohne schaffen? Sind Klassenunterschiede innerhalb der Gesellschaft wirklich notwendig? Er stellt diese Fragen zwar nicht beiläufig, liefert zum Ende hin auch eine Form der Antwort, überlässt die tatsächliche Auseinandersetzung allerdings dem Leser.

DIE GESCHICHTE (dezente Spoiler)

Was wäre, wenn es sich bei der Ewigkeit nicht um eine Zeitspanne handelt, sondern um eine Behörde, die im 27. Jahrhundert erschaffen wurde und dafür sorgt, dass die Menschheit sich ruhig und gediegen weiterentwickeln kann? Genau diese Behörde ist der Mittelpunkt dieses Romans. Ihr Konzept bzw. die technische Grundlage wurde bereits im 24. Jahrhundert erdacht, doch erst im 27. Jahrhundert war es möglich, dies in die Praxis umzusetzen. Durch eine Art von Tunnel kann mit einem Kessel durch die Jahrhunderte gereist werden. Allerdings ist es untersagt, in die Primitive Zeit (vor dem 27. Jahrhundert) zu reisen. Auch das Reisen zum 70.000. Jahrhundert bis hoch zum 150.000. Jahrhundert ist nicht möglich, allerdings ist nicht bekannt warum. Nach dem 150.000 Jahrhundert existiert die Menschheit nicht mehr. Bereits hier ist deutlich zu erkennen, welche Größe und Ausmaße dieser Roman annimmt.

Direkt zu Anfang lernen wir den außerordentlich begabten Techniker Andrew Harlan kennen, der ein Faible für die Primitive Zeit hat und sich in seiner Freizeit gerne mit selbiger beschäftigt. Er ist ein Spezialist für die Etablierung von Realitätsveränderungen und untersteht dem Rechner Laban Twissel. Eines Tages wird er in das 482. Jahrhundert zum Rechner Hobbe Finge versetzt und muss schnell feststellen, dass dieser ihn nicht ausstehen kann, ja ihm sogar misstraut. Hier werden Ereignisse in Gang gesetzt, die fatale Auswirkungen auf den späteren Verlauf der Geschichten haben. Harlan trifft auf die atemberaubend schöne Noÿs Lambent, welche eine Abweichung in der Ewigkeit darstellt, denn die ganze Behörde wird nur von Männern bevölkert. Dazu kommt, dass Beziehungen nur unter großem, bürokratischen Aufwand genehmigt werden. 

Harlan wird von dieser Begegnung völlig aus der Bahn geworfen und begeht einen Regelverstoß nach dem anderen. Dies geht sogar soweit, dass er die sich selbst erfüllende Prophezeiung um den Erfinder der Theorie, welche sich hinter dem Konzept der Ewigkeit verbirgt, manipuliert, um diese zu zerstören. 

Ab diesem Punkt beginnt eine Achterbahnfahrt aus Spekulationen, Enthüllungen und Offenbarungen, die nicht selten vermuten lässt, dass der Protagonist, Andrew Harlan, dem Wahnsinn verfallen ist und anfängt zu halluzinieren. Asimov schafft es hierbei einen Charakter zu zeichnen, der zerrissener nicht sein könnte. Sprunghaft und fast schon ziellos in seinem Gebaren schwankt er immer wieder zwischen seinen Überzeugungen, seinen Gefühlen und dem, was ihm an Wissen aufgebürdet wird. 

Asimov schafft es hierbei genau den Punkt abzupassen, an dem die Geschichte anfängt, ein wenig träge zu werden und schafft es, sich aus dieser Trägheit heraus zu schreiben. Dabei werden Charaktere komplizierter, Ereignisse sind nicht das, was sie zu sein scheinen, und manches dreht sich schlichtweg um 180 Grad. Dabei bauen sich die einzelnen Begebenheiten langsam auf, wie der bereits erwähnte Haufen Bauklötze und stürzt zum Ende hin über dem Leser zusammen. 

WIE IST DIE GESCHICHTE GESCHRIEBEN?

Trotz der Tatsache, dass es sich bei Das Ende der Ewigkeit um ein Werk handelt, welches die Menschheit in ihrer Gänze umspannt, schafft es der Autor den Leser damit zwar dezent zu erschlagen aber nicht zu überfordern. Wenn Zahlen und Jahrhunderte genannt werden, dann muss man dies zwar erstmal verdauen doch darauf folgen immer gleich eine Verortung und Kontextualisierung, was für den Lesefluss sehr angenehm ist.

Auch die Fachtermini halten sich in Grenzen bzw. die, die für diesen Roman erdacht wurden, werden ebenfalls direkt erklärt, sodass ein eigenes Fremdwörterbuch nicht von Nöten ist. Die Erklärungen sind leicht verständlich und bieten einen guten Eindruck, warum der erklärte Begriff existiert und welche Bedeutung ihm innewohnt. Stetige Wiederholung der Begriffe sorgen bis zum Ende des Romans, dass man sich immer wieder ihrer Bedeutung sowie Wichtigkeit bewusst bleibt, ohne dass Ermüdungserscheinungen auftreten.

Zum Ende hin wird es dann doch etwas kompliziert, gerade wenn die sich selbst erfüllende Prophezeiung eingeführt wird. Charaktere verändern sich, machen eine Wandlung in ihrer Bedeutung für die Geschichte durch und wenn es dann noch um die vielen Jahrhunderte und Zeitreisen geht, kann schon mal der Überblick leicht verloren gehen. Diese Momente sind allerdings äußerst selten und werden oft, leider nicht immer, durch entsprechende Erklärungen verständlich gemacht. Auch hier wird sich keiner komplizierten Fachtermini bedient, ein weiterer Pluspunkt für den Lesefluss.

Was Asimov allerdings hervorragend hinbekommt, ist das Umschiffen eines Paradoxons. Auch wenn man glaubt, man hätte eins entdeckt, so schafft der Autor es, dies gleich wieder zu entkräften, so dass es sich gar nicht erst ausbreiten kann. Dies schafft er mit einer Leichtigkeit, die seines Gleichen sucht. Etwas äußerst wünschenswertes für heutige Science-Fiction, egal in welcher Form.

ÜBER DEN AUTOR

Isaac Asimov wurde am 02. Januar 1920 in Petrowitschi, Sowjetrussland als Issaak Judowitsch Asimow (russisch Исаак Юдович Азимов) geboren und verstarb am 06. April 1992 in New York, USA. Drei Jahre nach seiner Geburt wanderten seine jüdischen Eltern in die USA aus. Somit wuchs Asimov in Brooklyn, New York auf. Mit 19 Jahren schloss er sein Bachelor of Science Studium mit dem Schwerpunkt Chemie ab. Im selben Jahr veröffentliche Asimov auch seinen erstes Werk Havarie vor Vesta, eine Kurzgeschichte. Dies geschah in der Märzausgabe von Amazing Stories und weitere Veröffentlichungen erschienen in Astounding, welche bereits erste Geschichten beinhaltete, die später zur Foundation Trilogie hinzugefügt wurden. 1941 setzte er sein Chemie Studium fort und schloss mit einem Master ab. 1948 promovierte er zum Doktor der Biochemie. Nach einer vorangegangenen Assistenz-Professor bekam er 1995 eine Daueranstellung an der Universität von Boston. Diese legte er allerdings bereits 1958 nieder, da er sich hauptberuflich dem Schreiben widmen wollte.

In den 1960er Jahren lernte er Gene Roddenberry kennen und beide teilten die Leidenschaft für Künstliche Intelligenz. Asimov war hierdurch als wissenschaftlicher Berater an Star Trek: Der Film beteiligt.

1992 starb Asimov an einem Nierenversagen, das als Folge einer HIV-Infektion auftrat.

Wie bereits erwähnt, ist Asimov durch seine Roboter Geschichten sowie die Foundation Trilogie bekannt. Doch er schrieb auch viele Kurzgeschichten und Sachbücher, die teilweise ins Deutsche übersetzt wurden. Weitere Informationen zur Person finden sich im ausführlichen Wikipedia Artikel und in seiner Bibliografie.

Wikipedia
Bibliografie

FAZIT

Mit Das Ende der Ewigkeit schafft Asimov eine spannende Geschichte, die genau an den richtigen Stellen einen durchatmen lässt und einen angenehm zu lesenden Aufbau hat. Da man sich hier an einige Termini gewöhnen muss und auch die Thematik nicht ganz ohne ist, aufgrund des zeitlichen Umfangs, ist dies durchaus ein Vorteil.

Den Spannungsbogen spannt Asimov bereits zu Anfang straff und schafft dies auch bis zum Ende hin durchzuhalten. Der Lesefluss leidet darunter nicht und es wird auch in keiner Weise anstrengend, da es immer wieder kurze Passagen der Entspannung gibt oder eine Wendung sich anbahnt, die so nicht vorauszusehen war.

Der Roman ist unteranderem auch ein Kind seiner Zeit. Erschienen 1955 und die Atomkraft, in all ihrer zerstörerischen Form, war gerade erst entdeckt und gleichzeitig demonstriert worden. Die Angst vor dieser war nahezu greifbar und dies thematisiert Asimov auch, gerade mit Bezug auf die Kraft der Zerstörung und wie die Menschheit immer wieder darunter leidet. In gleichem Atemzug fällt er aber auch ein Urteil über das Unvermögen der Menschheit, aus ihren Fehlern zu lernen. Selbst nach hunderten von vergangenen Jahrhunderten attestiert er der Menschheit, dass sie die gleichen Fehler immer und immer wieder begeht, was als weitere Notwendigkeit der Ewigkeit zu verstehen ist. Doch gegen Ende hin widerlegt er dies wieder und lässt durch einen der etablierten Charaktere erklären, warum es wichtig ist auch Fehler zu machen. Dies soll keinesfalls den Einsatz grauenvoller Massenvernichtungswaffen rechtfertig, reicht aber aus, um zu erklären, warum eine Regulierungsbehörde wie die Ewigkeit nur oberflächlich eine Gute Idee ist.

Am Ende muss der Leser selbst entscheiden, ob er die philosophischen Fragen sowie kritischen Stimmen in Richtung Gesellschaft an sich heranlassen will, oder sie im Roman verbleiben. Interessanterweise scheinen allerdings diese Punkte auch noch in der heutigen Zeit an Gültigkeit nicht verloren zu haben.

Für den schmalen Euro bekommt man einen sehr guten Science-Fiction Roman, der sich in viele Richtungen ausbreitet, sich aber darin niemals selbst verliert. Charaktere machen von ihrer Einführung bis hin zum Ende gute Entwicklungen durch die, auch wenn manchmal nicht ganz ohne Chaos, durchaus Sinn ergeben. Schafft man es ihn in seinem zeitlichen Kontext zu lesen, dann begeistert der Roman, aufgrund der damals üblichen Begriffe sowie der Erzählweise, auf vielen Ebenen.

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