JAPANISCHE KONBINI

In meinem dritten Semester wechselte ich von der Philosophie in die Soziologie. Das erste Semester hab ich nun mit einer Hausarbeit, über das Zusammenspiel eines Konbini und den Singlehaushalten in Japan, abgeschlossen. Ein Teil dieser Hausarbeit möchte ich gerne hier teilen, denn ich glaube, dass es ein interessantes Thema ist, welches es wert ist weiterverfolgt zu werden. Es wird nicht die vollständige Hausarbeit sein, denn einige Bereiche sind nicht so gut wie andere aber dazu im folgenden mehr.

Im ersten Semester der Soziologie wurden wir in die vier Grundrichtungen, auch Theorien genannt, eingeführt. In der Hausarbeit sollten wir diese Theorien, anhand eines Vertreters, beschreiben und im Anschluss daran auf unsere Fragestellung eingehen. Die Familiensoziologie war der Schwerpunkt, welcher von unserer Professorin vorgegeben wurde. Mit folgender Fragestellung habe ich mich auseinander gesetzt:

Wie würden die Konflikt-, Rational/Utilitarian-, die Durkheim’sche und die Mikrointeraktionistische Tradition jeweils den Anstieg der Singlehaushalte der letzten fünf Jahre in Japan, und deren Förderung durch Konbinis, sehen oder erklären?

Die beiden Traditionen die ich hier weiter ausführen werde sind die Konflikt- und die Durkheim’sche Tradition. Bei den anderen beiden Traditionen gibt es zu viel, was kritisiert wurde und ich habe leider nicht die Zeit, diese nochmal zu überarbeiten.

Im Nachhinein wird eine kurze Einleitung stehen, darauf folgt der Forschungsstand und anschließend jeweils die Erklärung der Tradition und die Auseinandersetzung mit der Fragestellung. Beim lesen bitte nicht vergessen, ich bin immer noch Student der Japanologie und Soziologie, weshalb diese Arbeit auf keinen Fall den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.

EINLEITUNG

In dieser Hausarbeit geht es um die Analyse der Singlehaushalte in Japan, deren Zunahme in den letzten 5 Jahren, wie sich die Situation der Singlehaushalte in Japan verändert hat und warum sie gleichzeitig ein Indiz für den Rückgang von Familiengründungen und Geburten darstellt. Allerdings ist dies ein äußerst umfangreiches Thema und überschreitet den Rahmen dieser Arbeit bei Weitem. Aus diesem Grund widme ich mich der Frage, welchen Einfluss die Convenience Store Ketten (im Folgenden Konbini / Konbinis) auf die oben erwähnten Singlehaushalte, bzw. auf den Rückgang der Familiengründungen und Geburten, haben. Es wird aufgezeigt, wie die vier (in diesem Artikel nur die oben erwähnten zwei) soziologischen Traditionen, nach der Definition von Collins (1994), diesen Zusammenhang, zwischen Konbinis und Singlehaushalten, sehen oder erklären.

Im ersten Schritt wird gezeigt, wie sich die Situation aktuell in Japan darstellt. Wie viel Singlehaushalte gibt es? Sind sie altersunabhängig und beziehen sie sich nur auf ein Geschlecht? In einem weiteren Schritt werden die Funktionsweisen von Konbinis, mit Bezug auf Japan, erklärt. Wie sind sie auf das Land verteilt? Wie sieht das Sortiment aus und welche Auswirkungen haben sie auf das Leben der Menschen in ihrem Einzugsgebiet? Zum Ende hin, aber auch schon in den Ausführungen zu den einzelnen Traditionen, wird dann ein Zusammenhang hergestellt und aufgezeigt, was genau ein Konbini für einen Einfluss hat und warum man sogar von der Förderung der Singlehaushalte sprechen kann.

Wie bereits zu Anfang erwähnt sind die Ursachen, für den Anstieg der Singlehaushalte in Japan, vielschichtig. Daher erhebt diese Arbeit, in ihrer Gesamtheit, auf keinen Fall den Anspruch der Vollständigkeit. Vielmehr geht es um die Ausleuchtung eines bestimmten Aspekts im Detail, der einen von vielen Faktoren darstellt und, wie sich später herausstellen wird, bisher nur sehr gering bis gar nicht untersucht wurde.

FORSCHUNGSSTAND

Der Forschungsstand gliedert sich in zwei Bereiche. Den ersten Bereich bildet der Zustand bzw. die Entwicklung der Singlehaushalte in Japan. Ist davon nur eine bestimmte Altersgruppe betroffen? Hängen Geburtenrückgang und Populationsrückgang mit den Singlehaushalten zusammen? Ansatzweise werden auch weitere Gründe für die Erhöhung der Singlehaushalte genannt.

Darauf folgt eine Erläuterung und Erklärung der Konbini in Japan. Welches Sortiment bieten sie an? Wie sind sie auf das Land verteilt? Wie hoch ist ihr Jahresumsatz?

SINGLEHAUSHALTE

Eine der Grundlagen für diese Arbeit bildet das Statistical Handbook of Japan 2019. Hier wird dargestellt, dass Japan nicht nur unter einem Rückgang der Bevölkerung leidet und dieser Trend, laut Prognose, sich weiter fortsetzt. Sondern das auch die Familienhaushalte immer weiter zurückgehen bzw. in den letzten Jahren, seit 2015, schon zurückgegangen sind. So waren im Jahre 2000 27,6% aller japanischen Haushalte Singlehaushalte. 2015 liegt die Anzahl der Singlehaushalte bei 34.6%, einem Anstieg von 7%. Allerdings begrenzen sich diese Zahlen nicht zwingend auf eine bestimmte Altersgruppe. Eine weitere Statistik, über Haushalte ab dem 65. Lebensjahr, zeigt auf, dass auch im hohen Alter die Singlehaushalte ansteigen. 2000 waren es 15,057 Haushalte mit Personen ab dem 65. Lebensjahr. 2015 stieg diese Zahl auf 21,713 an. 2000 waren davon 3,032 Singlehaushalte, während sich diese Zahl 2015 auf 5,928 fast verdoppelte. Auch das Geschlecht spielt hier eine entscheidende Rolle. Im Jahr 2000 waren von den oben angegebenen Singlehaushalten, mit Personen ab dem 65. Lebensjahr, 742 männliche Haushalte und 2,290 weibliche Haushalte. 2015 waren es 1,924 männliche Haushalte und 4,003 weibliche Haushalte (Mengenangaben in tausend).

AUSBLICK

Die obigen Daten zeigen, dass die Anzahl der Singlehaushalte zunimmt und auch in Zukunft weiter zunehmen wird. So wird es auch im Statistical Handbook of Japan 2019, in einer Prognose, aus dem Jahr 2017, für 2060 vorausgesagt. Direkt daran ist auch der Geburtenrückgang gekoppelt, denn es lässt sich hierdurch erkennen, dass weniger Familiengründungen stattfinden und in Japan gibt es nahezu keine außerehelichen Geburten sowie keine außerehelichen Lebenspartnerschaften. (Schad-Seifert / Kottmann, 2019: 76)

Anette Schad-Seifert beschreibt in Japan in der Krise, dass die Entwicklung der Singlehaushalte soziologisch noch nicht ausreichend untersucht und hinterfragt sind. Nichtsdestotrotz könnte eine der Ursachen, ihrer Meinung nach, darin liegen, dass Frauen eine verbesserte Gleichstellung im Beruf erfahren und somit keinerlei Interesse mehr an einer Ehe haben, da sie die eigene Karriere in den Vordergrund stellen. Männer hingegen, die nur einen durchschnittlich bis unterdurchschnittlich bezahlten Beruf ausüben, sind nicht mehr in der Lage zu heiraten, da für eine spätere Ehe die finanzielle Sicherheit fehlt. Geht man hier etwas mehr ins Detail, dann gibt es zum Beispiel Arbeiten die den Einstellungswandel der unverheirateten Frau aus empirischer Sicht dokumentieren (Hōjō 2016; Kottmann 2016; Nakano 2014; Yoshida 2017).

Im weiteren Verlauf wird die, von Anette Schad-Seifert erwähnte Ursache, nur oberflächlich behandelt, denn es geht im weiteren um den Einfluss von Konbinis auf die Singlehaushalte und wie sie durch die Aufstellung bzw. das Sortiment, der Konbini, gefördert werden.

KONBINI (CONVENIENCE STORE)

Die drei großen Konbini Ketten in Japan sind Seven-Eleven, FamilyMart und Lawson, wobei Seven-Elven einen Anteil von 35% des inländischen Umsatzes für sich verbucht, FamilyMart und Lawson folgen mit 20% und 30%. Alle Konbini zusammen erwirtschaften in Japan einen Jahresumsatz von 12 Billionen Yen (ca. 98,5 Milliarden Euro). Auf das ganze Land verteilen sich ca. 56.000 Filialen mit Schwerpunkt in den großen Ballungsgebieten wie Osaka oder Tokyo (Statista 2019a).

Das Angebot eines Konbini erstreckt sich von Lebensmittel, Haushaltswaren und Hygieneartikel über verschiedene Printmedien bis hin zu Serviceleistungen wie Postabwicklung, Geldautomaten und Zahlungsabwicklung. All dies ist genau auf das Einzugsgebiet eines jeden Konbini abgestimmt und wird, durch verschiedene Überwachungs- und Registrierungssysteme, immer wieder neu eingestellt und verbessert.

Schaut man sich Zahlen und Berichte der einzelnen Konbini Ketten etwas genauer an erkennt man, dass auch sie unter dem Bevölkerungsrückgang leiden. Gebiete wie Hokkaido, in denen es einst eine Welle von neu eröffneten Konbinis gab, leiden jetzt darunter, dass die Kundschaft immer weniger und auch älter wird. Dies hat zur Folge, dass mittlerweile darüber nachgedacht wird, eines der Hauptmerkmale, die 24 Stunden Öffnungszeiten, zu kippen und dem Verhalten der Verbraucher anzupassen. (Nikkei Research 2019). All diese Faktoren fassen ineinander wie kleine Zahnräder in einem großen Getriebe. Die Konbini steuern, bis zu einem gewissen Grad, das Verhalten der Kunden, dadurch verändern sich die Kunden und prägen, mit ihrem neuen Verhalten, gleichzeitig wieder die einzelnen Konbini.

Dies sind die beiden Hauptakteure bzw. Gruppen dieser Arbeit. Auf der einen Seite die Singlehaushalte, die ein stetiges Wachstum aufweisen, wie weiter oben bereits dargestellt. Die andere Seite stellt die Konbinis dar, die zwar einem hohen Einfluss durch den Kunden unterliegen aber gleichzeitig auch wiederum den Kunden beeinflussen, wie im weiteren Verlauf deutlich werden wird.

THEORETISCHER RAHMEN

KONFLIKT TRADITION

DARSTELLUNG

Die Konflikt-Tradition wurde von Karl Marx und Friedrich Engels erdacht und entwickelt, wobei Engels stets im Schatten von Marx agierte. Dennoch führte er, nach dem Tod von Marx, dessen Arbeit fort. Collins (1994) geht sogar soweit, dass er Engels als einen der Hauptverfasser bezeichnet und es nicht „Marxism“ heißen sollte sondern „Engelsian“, was allerdings nur für den soziologischen Teil von Marx Arbeit gilt.

Wie der Name bereits vermuten lässt geht es in der Konflikt-Tradition um die Konflikte zweier oder mehrere Gruppen. Dabei sind allerdings nicht die einzelnen Individuen gemeint sondern ein größeres Spektrum, denn die Konflikt-Tradition befindet sich auf einer Makro Ebener der Soziologie. Weiterhin geht es um Dominanz, denn es existiert immer eine herrschende und eine unterdrückte Gruppe, die jeweils verschiedene Interessen und Ziele verfolgen. Gesetzt den Fall, dass die dadurch entstehenden Konflikte nicht offen ausgetragen werden, dominiert die eine Gruppe die andere. Die Definition der jeweiligen Gruppen geschieht über den ökonomischen Status. Max Weber führt dazu noch an, dass diese Dominanz oder der Konflikt selbst auch innerhalb einer Gruppe stattfinden kann. (Collins, 1994, S. 90-92)

KONSUMGESELLSCHAFT

Marx und Engels beziehen ihre Ausführungen auf die Wirtschaft und die Konsumgesellschaft, sie führen hier jeweils den „Kapitalisten“ und den „Arbeiter“ als Beispiel auf. Der Kapitalist gehört zur herrschenden Gruppe, da er im Besitz der Länder und der Produktionsstätten ist. Der Arbeiter hingegen gehört zur unterdrückten Gruppe, da sein Besitz nur sehr gering ist. Aus diesem Grund müssen sie für die Kapitalisten arbeiten. Durch die Industrielle Revolution und den oben genannten Mechanismus entsteht ein Paradoxon, welches den unvermeidlichen Zusammenbruch des System zur Folge hat. Grund für dieses Paradoxon ist die Quelle des Geldes der Kapitalisten. Es wird hervorgerufen durch den Kreislauf der entsteht, wenn der Arbeiter, mit dem Geld was er verdient, sich neue Waren aus dem Wirtschaftskreislauf konsumiert. Nun sind dem Kapitalisten aber die Arbeiter zu kostspielig, also sucht er nach Möglichkeiten diese einzusparen und so sein Kapital zu vergrößern. Durch die Entlassung von Arbeitern gibt es aber wiederum weniger Kaufkraft im Wirtschaftskreislauf und das Kapital steigt nicht wie erwartet. Diese Abwärtsspirale dreht sich so lange weiter, bis nicht mehr genug Kaufkraft auf dem Markt existiert und er zusammen bricht. (Collins, 1994)

ANWENDUNG

Unter der Konflikt-Tradition gibt es verschiedene Ansätze, die auf die Förderung der Singlehaushalte durch die Konbinis zutreffen.

Einerseits existiert der Konflikt zwischen der Regierung Japans und den Konbini. Die Regierung belegt, wie im Statistic Handbook of Japan 2019 festgehalten, dass es einen Anstieg der Singlehaushalte gibt, und dies schon seit mehrere Jahren. Auf der Gegenseite stehen die Konbinis die, wie in den anderen Tradition bereits angemerkt, Singlehaushalte unterstützen oder Fördern. Nun könnte die Regierung zwar Änderungen herbeiführen, um an dieser Förderung etwas zu ändern, müsste dadurch aber auch Verluste verbuchen. Konbinis sind, aufgrund ihres Jahresumsatzes von 12 Billionen Yen (ca. 98,5 Milliarden Euro) ein wichtiger Wirtschaftsfaktor die für entsprechende Steuereinnahmen sorgt. (Statista 2019a)

Hier offenbart sich aber zugleich der zweite Ansatz, nämlich die Tatsache, dass durch die Förderung der Singlehaushalte die Geburtenrate in Japan Rückläufig ist. Durch diesen Umstand fallen, auf lange Sicht gesehen, die Kunden weg. Die Konbini Kette Lawson spürt dies bereits und denkt über entsprechende Maßnahmen in der Region Hokkaido nach. Vor einigen Jahren gab es hier eine Welle von neu eröffneten Konbini. Allerdings geht die Kundschaft immer weiter zurück und auch das Kaufverhalten ändert sich. Aus diesem Grund wird darüber nachgedacht, die Öffnungszeiten zu ändern und die 24 Stunden zu halbieren. (Nikkei Research 2019)

Es verhält sich ähnlich wie bei dem von Marx erdachten Paradoxon. Wird in keinster Weise eingegriffen, wird das System kollabieren. Denn auch wenn die Kunden von den Umsatzzahlen der Konbinis profitieren, werden diese Umsätze, egal welche Maßnahmen ergriffen werden, ab einem bestimmten Punkt Rückläufig, denn die Kundschaft schwindet kontinuierlich.

DURKHEIM’SCHE TRADITION

DARSTELLUNG

Wie Collins (1994) es beschreibt, betreten wir, mit der Durkheim’schen Tradition, den Dschungel. Dieser Dschungel sind wir selbst, aus dem wir niemals entkommen können (Collins, 1994, S. 181).

Durkheim hat sich mit seinen Studien zum Suizid in diesen Dschungel begeben. An der Erforschung des Suizids selbst hatte er allerdings kein Interesse. Ihm ging es darum zu ermitteln, was dieses Ereignis, welches für ihn eine Erschütterung des sozialen Gefüges darstellt, für Ursachen hat und welche Umstände gegeben sein müssen, damit sich ein Mensch das eigene Leben nimmt. Was für Faktoren spielen im sozialen Umfeld bzw. in der Gesellschaft eine Rolle und welcher eher nicht?

Mit verschiedenen Daten zur Selbstmordrate untersuchte er welche Faktoren, in Gebieten mit einer hohen Selbstmordrate, eine Rolle spielten und wieso es Gebiete gab, in denen die Selbstmordrate eher niedrig war bzw. welche Umstände dafür verantwortlich sein könnten. Eins der Hauptmerkmale war die soziale Dichte in der Gesellschaft. Als Beispiel nahm er hier die Zugehörigkeit zu einer Religion. Er führte Regionen auf, in denen die Menschen in katholischen Gemeinden sich einbrachten. Hier gab es eine hohe, soziale Dichte und somit eine geringere Selbstmordrate. In Regionen, in denen die Menschen weniger religiös waren, und dadurch eine geringere, soziale Dichte existierte, war die Selbstmordrate höher (Collins, 1994, S. 187). Hierdurch fand er auch eine Antwort auf eine der Fragen, die ihn am meisten beschäftigte, nämlich was die Gesellschaft zusammen hält. Nicht die Menschen selbst, ihre einzelnen Handlungen und Entscheidungen. Eher die sozialen Strukturen der Beziehungen untereinander gaben der Gesellschaft ihre Form und waren dafür verantwortlich, dass diese zusammen hält (Collins, 1994, S. 187).

STRUKTUREN UND MECHANISMEN

Strukturen und Mechanismen die außerhalb des Individuums bestehen und Einfluss auf die Gesellschaft haben bzw. die Gesellschaft zusammen halten, das sind Kernpunkte der Forschung nach der Durkheim’schen Tradition. Der Ursprung kann hier durchaus in der Industriellen Revolution gesucht werden. Denn mit ihr stellte sich eine Urbanisierung ein und ebnete den Weg für neue Arten der Interaktion und des Zusammenlebens. Somit etablierten sich auch neue Arten der Solidarität. Durch die Urbanisierung gab es aber auch weniger Platz zwischen den einzelnen Gruppierungen in der Gesellschaft. Die Menschen mussten näher zusammen rücken und somit entstand ein höheres Potential für Interaktionen. Eine soziale Verflechtung begann sich zu entwickeln (Collins, 1994, S. 187).

Die Durkheim’schen Tradition bewegt sich somit auf einer Makro Ebene. Es gibt zwar, innerhalb der Tradition, auch Mikro Ansätze so wie die Interaktions Rituale nach Erving Goffman, aber in diesem Fall genügt die Makro Ebene und wir beleuchten eher das Verhalten einer Gruppe von Individuen, als das Verhalten des einzelnen Individuums. Weiter hat Durkheim die soziale Welt bzw. die Gesellschaft in zwei Ebenen, ähnlich wie bei einem Eisberg, unterteilt. Die Spitze des Eisberges, stellt die verschiedenen Rituale und Symbolik da, während der Teil des Eisberges, der sich unter Wasser befindet, für die irrationalen Strukturen und das unterbewusste Handeln steht.

ANWENDUNG

In Japan gibt es ein starkes Verlangen nach gesellschaftlichen Akzeptanz bzw. einer sozialen Ordnung die besagt, dass man sich der Gesellschaft und deren Wohl unterzuordnen hat. An oberster Stelle steht dieses Wohl der Gesellschaft und der Gemeinschaft, erst dann folgt das Individuum, wenn überhaupt. Allerdings gab es in der japanischen Gesellschaft schon immer verschiedene Gruppierungen, die sich diesen gesellschaftlichen Normen nicht unterordnen wollen. Beispiele sind hier die freeter (フリーター Furītā) und hikikomori (ひきこもり) zu nennen. Mit Freeter sind junge Japaner gemeint, die sich Gelegenheitsjobs suchen und nicht nach dem japanischen System Schule / Studium / Beruf leben (Inui 2005). Hikikomori hingegen ist eine Bezeichnung für Japaner, die sich gänzlich aus der Gesellschaft und dem sozialen Leben entfernen und sich, im eigenen zu Hause oder im Elternhaus, vollkommen isolieren (Teo & Gaw 2010).

Hier haben wir zwei Gruppierungen in der japanischen Gesellschaft, die nicht nur einem ständigen Wachstum unterliegen sondern, aufgrund ihrer Eigenschaften und Entscheidungen, auch zum Teil mit in die Singlehaushalte gezählt werden, was das Wachstum begründet. Männliche Freeter fallen in diese Kategorie, da sie, aufgrund der Unbeständigkeit und unterdurchschnittlichen Bezahlung, nicht in der Lage sind für eine finanzielle Sicherheit innerhalb einer Ehe zu sorgen (siehe Ausführungen in Abschnitt 2.1. Singlehaushalte). Menschen die unter Hikikomori leiden, sofern sie nicht noch im Elternhaus leben, fallen ebenfalls in die Kategorie der Singlehaushalte, zumal es auch einen Anstieg im höheren Alter gibt (Tamaki 2019).

SOZIALE BINDUNGEN

Der Faktor der sozialen Bindungen tritt nun in den Vordergrund. Aufgrund fehlender sozialer Bindungen fallen die Menschen in eine der beiden Gruppen, denn es ist ihnen nicht mehr möglich sich an die gesellschaftlich vorgegebenen Normen zu halten. Gleichzeitig, mit dem Eintritt in eine der beiden Gruppen, fallen sie in die Kategorie der Singlehaushalte, so wie oben bereits beschrieben. Auch die Intensität der sozialen Struktur lässt, gerade bei Hikikomori, drastisch nach, soziale Interaktionen werden auf ein Minimum runter reguliert.

Für Freeter stellen die Konbinis einen idealen Ort für die Suche nach einem Job dar. Freeter möchten sich nicht dem gesellschaftlichen Druck beugen und einen Job wie salaryman (サラリーマン, sararīman) ausüben, was aufgrund ihrer Entscheidung, nicht am gesellschaftlichen vorgeschriebenem Werdegang Schule / Studium / Beruf teilzunehmen, auch nicht möglich wäre. Aufgrund des geringen Verdienstmöglichkeiten in einem Konbini, was zwar für einen gewissen Lebensstandard ausreichend ist, nicht aber für ein familiäres Leben, schließen sie sich aus dem gesellschaftlichen Konstrukt der Ehe, so wie in Japan üblich, aus.

Hikikomori hingegen wollen sich jeglichem sozialen Kontakt entziehen, was einer der Gründe für ihren Einschluss bzw. die gewählte Isolation ist. Das gesellschaftliche Gefüge, mit allen den Regeln, Normen und unausgesprochenen Vorschriften, ist für sie zu einer Belastung geworden. Egal ob in jungen Jahren oder bereits im fortgeschrittenen Alter. Allerdings sollte die Tatsache Erwähnung finden, dass bis heute die vollständigen Gründe, hinter dem Verhalten des Hikikomori, noch nicht zu hundert Prozent erforscht sind. Dem Umstand, dass Hikikomori soziale Kontakte meiden, kommen Konbinis mit ihren Öffnungszeiten entgegen, somit können Hikikomori Abends bzw. Nachts einkaufen, was dazu beiträgt, dass sie soziale Kontakte auf ein Minimum reduzieren.

Somit lässt sich festhalten, dass die Konbini, unter der Durkheim’schen Tradition, einen Einfluss auf die Singlehaushalte haben in dem sie, auf der Makro Ebene, Gruppierungen fördern deren Anzahl direkt die Singlehaushalte beeinflusst.

FAZIT

Abschließend muss hier nochmal erwähnt werden, dass dies rein theoretische Ansätze sind und Kobinis nur einen Teil der Verantwortung, am Anstieg der Singlehaushalte in Japan, tragen. Wie bereits von Kottmann (2019, S. 102) erwähnt gibt es zwar Forschungen und statistische Erhebungen, die auch ausreichend Daten liefern, aber sie setzten entweder bei den ledigen Personen ein oder bei den bereits verheirateten an. Den Faktor der Konbinis und deren Bedeutung hat, im englisch- und deutschsprachigen Raum, bisher noch niemand in Erwägung gezogen.

Nichtsdestotrotz sehe ich die Forschungsfrage als beantwortet an, auch wenn dies nur an der Oberfläche geschehen ist. Konbinis sind gewiss nicht die hauptverantwortlichen, in Bezug auf die steigenden Singlehaushalte in Japan, aber eine Mitschuld, oder vielleicht eher eine Mitverantwortung, tragen sie. Wie und ob an diesem Umstand etwas geändert werden muss ist an anderer Stelle zu entscheiden. Soziologisch ist es dennoch ein interessantes Thema, welches weiterhin verfolgt werden sollte.

Weiterhin sei erwähnt, dass es hier nur um hetero Beziehungen nach dem klassischen Beziehungsmuster, Mann geht arbeiten und Frau bleibt zu Hause bzw. übt nur einen Teilzeit Job aus, geht. Das Bewusstsein für andere Beziehungsmuster ist durchaus vorhanden allerdings würde es zu viele Variablen hervorbringen und den Rahmen dieser Arbeit sprengen.


LITERATURVERZEICHNIS

Collins, R. (1994). Four sociological traditions. Oxford Univ. Press.

Closing for the Night: Japanese Convenience Stores Weigh Dropping 24-Hour Service. (2019, Oktober 30). Nippon.Com. https://www.nippon.com/en/in-depth/d00510/closing-for-the-night-japanese-convenience-stores-weigh-dropping-24-hourservice.html (Abgerufen am 11.01.2020)

Hōjō, Kaya (2016): Hontō wa kekkon shitakunai noda shōkōgun [Das Syndrom, dass man in Wirklichkeit nicht heiraten will]. Tōkyō: Seishun Shuppansha

Inui, A. (2005). Why Freeter and NEET are Misunderstood: Recognizing the New Precarious Conditions of Japanese Youth. Social Work & Society, 3(2), 244-251–251. (Abgerufen am 14.01.2020)

Japan: Convenience store fast food and daily food sales value 2017. Statista.
https://www.statista.com/statistics/901307/japan-convenience-store-fast-fooddaily-food-retail-sales-value/ (Abgerufen am 11.01.2020)

Japan: Number of convenience stores 2017. Statista.
https://www.statista.com/statistics/810901/japan-convenience-storenumbers/ (Abgerufen am 11.01.2020)

Japan’s “Hikikomori” Population Could Top 10 Million. (2019, September 17). Nippon.Com. https://www.nippon.com/en/japan-topics/c05008/japan’shikikomori-population-could-top-10-million.html (Abgerufen am 14.01.2020)

Nakano, Lynne (2014): Single Women in Marriage and Employment Markets in Japan. In: Kawano, Satsuki/Roberts, Glenda S./Long, Susan Orpett (Hg.): Capturing Contemporary Japan. Honolulu: University of Hawai’i Press, S. 163–182.

Schad-Seifert, A., & Kottmann, N. (Hrsg.). (2019). Japan in der Krise: Soziale Herausforderungen und Bewältigungsstrategien. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-658-23423-2

Shrinking population threatens Japan’s convenience stores. Nikkei Asian Review. https://asia.nikkei.com/Spotlight/Datawatch/Shrinking-populationthreatens-Japan-s-convenience-stores (Abgerufen am 11.01.2020)

Statistical Handbook of Japan 2019, Statistics Bureau, Ministry of Internal Affairs and Communications, Japan

Teo, A. R., & Gaw, A. C. (2010). Hikikomori, A Japanese Culture-Bound Syndrome of Social Withdrawal? A Proposal for DSM-V. The Journal of nervous and mental disease, 198(6), 444–449. https://doi.org/10.1097/NMD.0b013e3181e086b1
(Abgerufen am 14.01.2020)

Yoshida, Akiko (2017): Unmarried Women in Japan. The Drift into Singlehood. New York u.a.: Routledge.


ABSCHLUSS

Wie bereits erwähnt ist dies die Arbeit eines Studenten am Anfang seines Studiums. Gerne werde ich versuchen, das Thema in der Zukunft weiter zu erforschen und ich hoffe, dass ich in der Soziologie und auch der Japanologie weitere Erkenntnisse sammeln kann, um dieses Thema voran zu treiben. Wer möchte, und bis zu diesem Punkt durchgehalten hat, kann gerne dies als Grundlage benutzen aber dann bitte mit dem nötigen Respekt und entsprechender Zitation!